Der Vogelsberg, die MSD und ein Motorrad namens Münch
Am 8. Mai 2004 wurde in Laubach/Vogelsberg von Konstrukteurslegende Friedel Münch die Motorradstraße Deutschland (MSD) eröffnet. Kürzlich ergab sich für uns die einmalige Gelegenheit die Ausgangsregion der MSD gemeinsam mit dem Sohn Friedel Münchs, unterwegs auf einer der legendären Mammuts, zu erkunden.
Das erste Treffen
Ich kann mich noch gut an mein erstes Treffen mit Friedel Münch im Jahr 2004 erinnern, denn schließlich hat man nicht jeden Tag einen Termin mit einer Legende. Etwas verunsichert betrat ich zusammen mit meinem Kumpel Roland Stoll die an Friedels Motorenmuseum in Laubach angeschlossene Werkstatt. Sollte ich „Guten Tag Herr Münch sagen“ oder das unter Motorradfahrern übliche ‚Du‘ benutzen und ihn mit „Hallo Friedel“ begrüßen? Meine Bedenken waren völlig überflüssig, denn mit einem „Kommt rein Jungs!“ bat uns der Mammutmann an seinen Tisch.
Unterwegs mit dem Münch-Nachwuchs
Acht Jahre später stehe ich mit seinem Sohn Manfred vor einem kleinen, aber sehr liebevoll eingerichteten Museum in Florstadt in der Wetterau. Dem Ehrenbürger Friedel Münch wurde von seinem Wohnort mit diesem Kleinod eine Ausstellung zur Ehre, die vor allem mit ihrem persönlichen Charakter glänzt. Natürlich ist auch eines der legendären Motorräder zu sehen. Das Engagement der Stadt Florstadt und vor allem der ehrenamtlichen Helfer ist nicht hoch genug einzuschätzen, denn während man sich hier der Bedeutung und des öffentlichen Interesses an einer solchen Ausstellung bewusst ist, hatte man an der letzten Wirkungsstätte des Meisters, dem Motorenmuseum in Laubach, wenig Energie in den Erhalt der Kultstätte rund um das Münchsche Lebenswerk gesteckt. Die Familie Münch hat sich mit vielen persönlichen Stücken in die Sammlung eingebracht. Im Gegensatz zur ebenfalls unbedingt sehenswerten Münch-Ausstellung im Technik-Museum-Speyer, mit über 20 der legendären Münch-Bikes, stellt diese Ausstellung den Menschen und Konstrukteur Friedel Münch in den Vordergrund.
Zufälliges Kennenlernen
Ich hatte Manfred zufällig beim Bikerfrühstück eines gemeinsamen Motorradhändlers kennengelernt und schnell war uns klar, dass wir unbedingt einmal mit einer der Kultmaschinen seines Vaters eine Tour durch den Vogelsberg im Rahmen einer Reportage umsetzen müssen. Ein kleines, aber entscheidendes Problem dabei war, dass weder er noch wir eines der Mammuts im Besitz hatten. Kein Wunder, denn bei einem Wert von 50.000 € und mehr, hat man in der Regel nicht mal eben eine Münch zu Hause stehen und wer eine hat, fährt sie meistens selbst. Aber unverhofft kommt oft, vor allem auch für Manfred. Zitat Manfred: „Ein ganz lieber Münch-Fahrer hat mir seinen Liebling von Mitte Mai bis Anfang Oktober zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür Rolf, das war und ist ein richtiges Highlight in meinem Leben“.
Motorrad mit PKW-Motor
Manfred startet 100 Pferde des 1200er NSU-Motors. Gute 45 PS mehr als bei der im Original-PKW verbauten Kraftmaschine und ab geht die Post. Unser erstes Ziel ist die Stadt Laubach, die wir über langgezogene Kurvenstrecken erreichen. Ideale Strecken für unser Powerpaket. Bei der Durchfahrt des MSD-Eröffnungsortes bleibt so mancher Blick an unserem Kultbike kleben. Ja, hier kommt etwas besonderes, das spüren die Passanten sofort.
Bürgerinitiative gegen Motorradfahren
Ich selbst habe ein etwas gespaltenes Verhältnis zu dieser Stadt, die vor längerer Zeit sogar einmal zur motorradfreundlichsten Stadt Deutschlands gewählt wurde. Das ursprüngliche Interesse am Motorrad fahrenden Besucher nahm schnell ab, als eine Bürgerinitiative „gegen den Auswuchs des Motorradfahrens im Vogelsberg“ das Thema schnell zum Politikum machte und man sich dann doch wieder lieber Themen wie dem Drehorgel- und dem Lichterfest widmete. Auch Manfred ist, wie er mir später erzählt, enttäuscht vom Verhalten der Stadt, die seinerzeit nicht sonderlich am Erhalt der Werkstätte seines Vaters interessiert war.
Motorrad Touristik Vogelsberg
MotorradTouristik Vogelsberg e.V.
www.bikeerlebnis.de
Zum Glück macht man sich nicht überall im Vogelsberg in die Hosen, wenn jemand mit einen „Frosch-über-die-Straße-Träger“-T-Shirt auftaucht und gründete mit der „Vogelsberg Motorrad Touristik“ eines der erfolgreichsten und engagiertesten Projekte für tourende Biker.Nicht zuletzt wegen des jährlichen „Schottenring Classic Grand Prix“ hat die Bevölkerung ohnehin Benzin im Blut und man ist sich auf Europas größten erloschenen Vulkan auch durchaus der wirtschaftlichen Bedeutung des Motorradtouristen bewusst. Ja, sie sind etwas lauter als Mountainbiker, dafür aber auch geselliger und umsatzfreudiger als Wanderer und hinterlassen keine dicken Markierungen auf der Straße, wie z.B. die Reittouristen.
Und man fühlt sich als Motorradfahrer sauwohl in der Vulkanregion. Es sind die Treffs wie das Falltorhaus und das Oldtimercafé, die legendäre Bundesstraße 276 und die vielen, vielen Abzweigungen in entlegenste Dörfer, die das Gefühl aufkommen lassen, Motorrad fahren in seiner ursprünglichsten Art zu genießen. Dabei sind 50, 60 PS oft völlig ausreichend oder eine Münch, bewegt auf einem gefühlten Drittel ihrer Leistungsfähigkeit.
Hoherodskopf – Bekannteste Erhebung und Bikertreff im Vogelsberg
Damit sind wir wieder bei unserem legendären Bike, das wir jetzt in Richtung Hoherodskopf bewegen. Witzigerweise nicht die höchste, aber bekannteste Erhebung des Vogelsbergs. Auch hier registrieren nicht nur Motorradexperten, dass da etwas ganz besonderes auf den Platz rollt. Altbekannte Statements wie „Mein Jugendtraum!“, „...die mit dem NSU-Motor.“ und “Hing als Poster bei mir im Jugendzimmer!“, klingen uns entgegen und auch im Touri-Reisebus sitzen plötzlich alle vorne, weil der Busfahrer einen Begeisterungsstopp hingelegt hat.
Eine Münch polarisiert nicht, sie steht darüber. Während man heute bei der Vorstellung eines solchen Motorrades die Szene in Begeisterung und Ablehnung spalten würden, kann eine Mammut nur darüber lächeln und königlich, ohne jedes Imponiergehabe, ihre Bahnen ziehen. Das tun wir jetzt auch und bewegen uns ein Stück auf der Südroute der MSD in Richtung Gedern.
Unterwegs auf der MSD-Südroute
Die Südroute ist wohl die beliebteste Route der MSD, denn sie führt den Tourer über Franken, den Bayerischen Wald, vom Chiemgau bis zum Bodensee und den Schwarzwald wieder hierher zurück und liefert Motorradhighlights wie an einer Perlenkette. Aber auch die anderen Routen der MSD werden stark genutzt, wie mir Bernd Gärtner vor kurzem berichtete. Er betreibt mit Frau Christine das Landhotel Gärtner und ist Vorsitzender der „Motorrad Touristik Vogelsberg“. „Die MSD ist das Beste, was der Motorradregion Vogelsberg passieren konnte, da jede der vier Routen durch unsere Region führt“.
Das ist halt der Vorteil, wenn man in Deutschlands Mitte liegt. Als Betreiber des Projekts „Motorradstraße Deutschland“ war uns aber noch etwas anderes an dieser Region wichtig, Motorrad-ENGAGEMENT. Darunter verstehen wir aktive Personen, vernünftiges Tourenmaterial, guten Service und eine motorradfreundliche Gastronomie, die nicht beim „Biker welcome“-Schild aufhört. Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich hier einmal einen loben, der sich, ohne einen eigenen Vorteil davon zu haben, so richtig für uns Motorradfahrer ins Zeug legt, nämlich Volker Rühl. Der Touristiker, der nicht einmal selbst Motorrad fährt, hat so viel Spaß am Thema, dass er von der Messestandbesetzung bis zur Sponsorensuche für die „Motorrad Touristik Vogelsberg“ unzählige Stunden ehrenamtlich ableistet. Leider entgehen ihm natürlich solche Momente, die Manfred und ich gerade auf Tour erleben und die wir jetzt langsam in Richtung Wetterau ausklingen lassen. Dort setzen wir uns noch auf einen Kaffee zusammen, aus dem nach und nach viele Tassen werden.