Die kurvenreiche Schöne
Korsikas Pisten rufen
Frankreichs wohl schönste Insel lädt bereits ab Mitte März zur Kurvenhatz ein. Das fortwährende Wechselspiel der Landschaften ist einer der Höhepunkte Korsikas. Während entlang der Ostküste weite Sandstrände unterbrochen durch Lagunen und Flussdeltas dominieren, zeigt sich die Westküste rau und felsig, zerklüftet und atemberaubend steil. Dazwischen locken uns sehenswerte Städte.Viermal war ich nun schon auf dieser herrlichen Insel „gleich hinter dem Brenner“. Und jedes Mal habe ich am Ende der Reise ganz bewusst den berühmten Seitenkoffer zurückgelassen, um einen triftigen Grund zu haben für eine Wiederkehr.
Obwohl ich den eigentlich gegenüber Sozia Kirsten gar nicht brauche, denn um sie zu überzeugen, reicht es bereits, leicht fragend den Namen der Insel zu erwähnen. Um Korsika ausgiebig und vor allem gepäckbefreit erkunden zu können, suchen wir uns meistens je einen Tourenstandort an West- und an Ostküste. Gleich zu Beginn zum Beispiel das zauberhafte Städtchen Porto inmitten einer malerischen Bucht mit dem wohl schönsten Sonnenuntergang der Insel. Kaum aus dem mächtigen Bauch der Nachtfähre von Livorno nach Bastia entkommen, treibe ich die BMW R1200 GS Rallye Richtung Porto. Natürlich nicht auf direktem Weg! Nein, zur perfekten Einstimmung geht es erst einmal rund um das legendäre Cap Corse. Eine 150-km-Runde, die es wahrlich in sich hat.
Der schönste Zipfel des Mittelmeeres
TOUR 1 – 328 km – ca. 5 Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 1 über Kurviger.de laden
Knapp oberhalb der Gischt huschen wir auf der sich im Norden Bastias anschließenden Küstenstraße dahin. Das Visier weit geöffnet, die Lungen prall gefüllt mit frischer Seeluft. Die Ausblicke über die Gashand auf die Weite des Meeres mit seinen weißen Fährschiffen sind legendär. Malerische Nester dösen auf Felsenterrassen im prallen Sonnenschein, immer wieder gönne ich der BMW und uns die ein oder andere Sackgasse hinauf in die Berge. Wie den Abzweig auf die Serra di Pigno Hochebene. Herrlich!
In Macinaggio, dem nördlichsten Badeort Korsikas, quirlt das Leben laut und bunt. Tagesausflügler des Cap Corse und Segler aus allen Teilen der Welt genießen in den zahlreichen Restaurants und Kneipen am Hafen den sonnigen Tag. Auch wir gönnen uns einen kurzen Boxenstopp, bevor mich ein winziger Wegweiser nach Barcaggio lockt. Eine üble Schlaglochpiste dirigiert uns mitten hinein in die wilde Urtümlichkeit von Korsikas „Lands End“. Eine Handvoll bunte Hütten, ebenso viele alte Fischerboote, die müde im winzigen Hafen des noch winzigeren Dorfes dümpeln – das war’s auch schon.
Ort der Zuflucht
TOUR 2 – 405 km – ca. 7 Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 2 über Kurviger.de laden
Ein weiteres Highlight der Insel gönnen wir uns gleich anderntags: die Calanches und den felsigen Westen Korsikas. Jene Calanches sind eine imposante, in Jahrmillionen von der Natur erschaffene Felsküstenformation. Den „Ort der Zuflucht“ nennen ihn die Korsen, eine Steinschlag gefährdete Straße schlängelt sich durch die keck in den blauen Himmel ragenden Felsen. Nur wenige schmale Parkbuchten bieten die Möglichkeit, das Motorrad abzustellen und das Panorama zu genießen. Da jetzt früh am Morgen die Sonne aber noch lange Schatten auf die Piste legt, beschließen wir abends für ein paar Fotostrecken nochmals wiederzukommen. Selbst auf die Gefahr hin, dann von Pkw und Wohnmobilen „gescheucht“ zu werden. Denn die Calanches sind das berühmteste Naturschauspiel des Inselwestens. Unseren weiteren Tourentag füllen wir nun erst einmal mit dem Besuch Ajaccios sowie einer ausgiebigen Hatz durch das Hinterland randvoll. Natürlich inklusive Col de Sevi und direktem Kontakt zu den ewig hungrigen und höchst neugierigen Ureinwohnern der Insel.
Geschichte und Natur im Wechselspiel
TOUR 3 – 549 km – ca. 9Stunden – Navigationsdaten zur TOUR 3 über Kurviger.de laden
Nach all der touristischen Pracht reizen uns am nächsten Morgen dann erneut die Berge Korsikas, hier versammelt im 1972 gegründeten „Parc Naturel Régional de la Corse“. Gleich hinter den letzten Häusern von Porto-Vecchio startet die Kurvenhatz, beginnt dieser Genuss für alle Sinne. Durch den „Forêt de L’Ospedale“ dirigiere ich die R1200 GS bergan. Mächtig dunkle Wolken empfangen uns oben am Col de Bacino ohne jedoch ihre Schleusen zu öffnen. Bereits in Zonza, einem der wenigen Knotenpunkte im Alta Rocca Gebirge, scheint uns wieder die Sonne. Frisch geschälte Korkeichen säumen den anschließenden Weg hinauf nach Corte, der berühmtesten Stadt im gebirgigen Herzen der Insel. Sarazenen und mittelalterliche Feudalherren siedelten sich in der fruchtbaren Landschaft dieses natürlichen Hochtales an und errichteten zu Füßen eines mächtigen Felsspornes ein kleines, aber bedeutendes Handelszentrum. Genueser Kaufleute bauten Corte zu einem befestigten Sitz ihrer Gerichtsbarkeit aus, Spanier eroberten das Land und die Stadt und spendierten zum Schutz gegen allgegenwärtige Gefahren auf den Felssporn eine mächtige und weithin sichtbare Zitadelle. In blutigen und verlustreichen Kämpfen befreiten auch die Korsen ihre Stadt in den Bergen immer wieder von Fremdherrschaften, doch meist nur für kurze Zeit. 1769 verloren die korsischen Separatistenbewegungen endgültig gegen die Truppen der weithin überlegenen Franzosen und ihre Heimat einschließlich Corte fiel an Frankreich.Heute schmückt sich Corte gerne mit dieser wechselvollen Geschichte und präsentiert seine Sehenswürdigkeiten rund um den Place Paoli mit seinen hübschen Straßencafés. Gleich nebenan geht es über alte Stiegen und ausgetretene Treppen steil bergan in die Viertel der „Ville Haute“ mit ihren winzigen Andenken- und Tante-Emma-Läden. Sehr sehenswert und perfekt zu „garnieren“ mit meinem Einkehrtipp: das Terra Corsa in der Rue Monseigneur Casanova direkt am Aufstieg zur Zitadelle. Traditionelle korsische Küche zu fairen Preisen. Lecker!
Ebenso, wie der Rest unseres Weges retour nach Bastia. Das lang schon im Voraus gebuchte Fährticket setzt uns leider enge zeitliche Grenzen. Doch ich weiß, dass es nur eines einzigen Wortes bedarf, um Sozia Kirsten wieder zu begeistern für einen weiteren Besuch auf der wohl schönsten Insel im Mittelmeer …
Text und Fotos© Heinz E. Studt, Januar 2020
Gut zu wissen
Unterkünfte
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- Camping U Pirellu nahe Porto-Vecchio an der Route de Palombaggia, ebenfalls mit Mietunterkünften und vielem mehr
Fährverbindungen
Kartenmaterial
Michelin Local Straßenkarte Nr. 345 „Korsika“, Maßstab 1:150.000, Michelin Verlag, ISBN 978-2067134515, Preis 8,99 €.
Adressen
Atout France - Französische Zentrale für Tourismus zur Homepage
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Heinz E. Studt, Bruckmann Verlag, ISBN 978-3734310355
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