Welch prächtiger Süden
Etappe 7 der SÜDROUTE – MoTOURguide Bayern
Start / Ziel: Passau - Bodenmais
Intensiv werden wir auf dieser Etappe der Südrunde den Süden des Bayerischen Waldes erkunden. Und da die Tagesleistung mit gut 200 Kilometern wohl kaum jemanden komplett überfordert, könnt Ihr Euch beim Abschiedsfrühstück im prächtigen Passau gerne auch Zeit lassen.
Dann geht es kurvenreich hinaus ins Land, über Zwecking und Rackling nach Erlau, direkt an der Donau. Der folgen wir ein Stück weit flussabwärts nach Oberzell, gönnen uns „zum Wachwerden“ zwei waschechte Spitzkehren Richtung Untergriesbach, bevor wir nach einem weiten Bogen gen Osten in Hauzenberg am Südfuß des Bayerischen Waldes „aufschlagen“.
In früheren Zeiten als Böhmerwald bekannt, haben sich nach den Grenzziehungen zu Tschechien auf deutscher Seite der Oberpfälzer und Bayerische Wald als eigenständige Regionen gebildet. Während sich der Oberpfälzer Wald bis hinunter nach Cham zieht und fließend im Bayerischen Wald aufgeht, reicht Letzterer als eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Mitteleuropas bis hinunter nach Passau. Nicht nur als Paradies für Wanderer und Naturliebhaber ist der Bayerische Wald berühmt, auch als Kurvenrevier für Motorradfahrer ist er weithin bekannt.
Und für seine interessanten Themenstraßen, wie die Glasstraße. 1997 als damals jüngste Ferienstraße Deutschlands eröffnet, führt sie als eine der schönsten Ferienstraßen Deutschlands von Passau bis hinauf nach Neustadt an der Waldnaab und durchzieht den Bayerischen Wald auf gut 200 km Länge. Sie erlaubt tiefe Einblicke in die wechselvolle und spannende Geschichte dieser Region, natürlich vor allem die der Glasmacher, der über 700-jährigen Tradition der Glasbläserei, die bis heute hier ganz im Osten Bayerns allen ausländischen Billig-Produktionen Paroli bietet - mit Qualität und Kreativität. Hut ab ...
Unser „Waypoint“ Waldkirchen ist eine der jüngsten Städte des Bayerischen Waldes mit einer bewegten Geschichte, denn sie wurde immer wieder von verheerenden Bränden gebeutelt. Der bislang letzte Marktbrand ereignete sich in den letzten Kriegstagen 1945. Alle diese Brände sollen übrigens auf den Fluch einer Zigeunerin zurückgehen, den diese vor vielen hundert Jahren über die Stadt gelegt hat, als ihr die Bürger Waldkirchens die Fahrt mit der Postkutsche verwehrten.
Jetzt aber geht es ab in pralle Andersartigkeit, in das erlebenswert einsame Grenzland zu Tschechien und den Nationalpark Bayerischer Wald. Er wurde 1970 als erster Nationalpark Deutschlands gegründet und besitzt nach einer Erweiterung 1997 nun eine Größe von gut 24.000 Hektar. Prägnant sind seine fichtenreichen Hochlagenwälder, aber auch seine ausgedehnten Tannen- und Buchenbestände. Die bekanntesten Berge des Nationalparks sind der Große Rachel mit 1453 m sowie der Lusen mit 1373 m.
Neureichenau empfängt uns gerne zu einem koffeinhaltigen Boxenstopp malerisch direkt am Fuß des 1.330 m hohen Dreisesselberges. Dessen Name soll von drei Sesseln herrühren, die auf den Berg geschafft werden mussten, als sich dereinst die Könige von Bayern, Böhmen und Österreich dort versammelten, um über die Grenzen ihrer Herrschaftsbereiche zu verhandeln. Der Ort selbst entstand im 17. Jahrhundert aus einer „wandernden“ Glashütte und entwickelte sich alsbald zu einer beliebten Siedlungsregion.
Noch einmal geht es kurvenreich durchs Nirgendwo, über Theresienreut, Bischofsreut, Vorder-, Mitter- und Hinterfirmiansreut durch eine Landschaft fernab großer Weltgeschichte. Herrlich freie Pisten schaffen ein Vergnügen speziell für uns Biker, das andernorts nur noch selten zu finden ist. Wer Lust und Zeit mitbringt, sollte hier einen Abstecher nach Freyung einbauen - passend zur mittäglichen Einkehr vielleicht.
Freyung ist eine sehenswerte Perle des „Dreiländerecks“ Bayerischer Wald - Tschechien - Österreich und nennt sich gerne auch das Tor zum Nationalpark Bayerischer Wald, also dessen streng geschützter Kernregion. Der Stadtname soll auf den Begriff „Freiung“ zurückgehen, also ein Gebiet in dem Siedler befreit von jeglicher Steuerlast leben und arbeiten durften. Selbst für mittelalterliche Zustände wahrlich paradiesisch!
„Ich liebe diese kleine Stadt, die Geborgenheit und Flair zu bieten hat“ schwärmen Heimatdichter über Freyung und beschreiben damit ein Kleinod frei von Hektik, Stress und Lärm. Unser Tipp für Euch: Eine Stippvisite in der Bergglashütte Weinfurtner etwas südlich des Ortes mit Schau-Glasblasen, geduldig Fragen beantwortenden Glasbläsern und allen Infos zu dieser uralten, glühend heißen Kunst.
Spiegelau, der traditionelle Glasmacherort, liegt direkt am „Gläsernen Steig“, einem historischen Glashütten-Wanderweg zu den ehemaligen Glashüttenstandorten. Der immense Holzreichtum der Region schuf einstmals diese Glasindustrie, anfangs mit kleinen Wander-Glashütten, die nach der Rodung des umliegenden Waldes einfach weiterzogen und an anderer Stelle wieder aufgebaut wurden. Spiegelau erinnert sich mit der „Pandurenrast“ an seine ganz eigenen Erfahrungen mit diesem „Gesindel“. Das Fest alljährlich im Sommer erzählt, wie Franz von der Trenck, der Pandurenoberst die Übergabe des Ortes verlangte, die Gemeindekasse plünderte und verschwand.
Verfolgen wir den „Hundling“ doch ein Stück und huschen weiter durch die Tiefen des Bayerischen Waldes nach Frauenau, einem weiteren traditionellen Glasmacherort. Der staatlich anerkannte Luftkurort Zwiesel hingegen ist die „Glasstadt“ des Bayerischen Waldes schlechthin, weithin berühmt für seine Kristallmanufakturen und Glashütten. Doch der beliebte Tourismusort hat noch viel mehr zu bieten. Das leckere Zwieseler Dampfbier beispielsweise oder ein sehenswertes historisches Zentrum mit unzähligen Einkehrmöglichkeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit. Hier oder im Etappenziel Bodenmais können wir uns noch einmal ausgiebig stärken, bevor wir auch diesen Tourentag ausklingen lassen.
Tief im Wald eingebettet zu Füßen des legendären Silberbergs produzierten in Bodenmais Generationen von Glasmacherfamilien seit dem 15. Jahrhundert funkelnde Gläser, leuchtende Kelche und glänzende Perlen. Bis heute ist Bodenmais nicht nur das Mekka des Glastourismus im Bayerischen Wald, das ehemalige Bergwerk im Silberberg lädt uns zudem zur höchst gesunden „Stollentherapie“ ein. Gegen chronische Atemwegserkrankungen, Bronchitis, Asthma sowie Keuchhusten. Ein Wohlfühlerlebnis für alle, die ihren Atemwegen wirklich Gutes tun wollen.
Tourlänge ca. 200 km Navigationsdaten zur Tour bei KURVIGER.de laden
Text © Heinz E. Studt
Fotos © Heinz E. Studt / Peter Wahl