Gemütlichkeit mit einem Schuss Adrenalin
Beginnen wir unsere Norditalien-Touren gemütlich? Im Grunde ja, wäre da nicht sogleich am Vormittag die vielleicht größte fahrerische Herausforderung der Alpen: das legendäre Stilfser Joch. Anfänger wählen für diese Tour einen Wochentag abseits Juli und August und lassen sich von alten Hasen leiten. Oder drehen diese Tour einfach um - denn bergab ist der Stelvio deutlich leichter zu „erfahren“. Der Rest des Tages ist in beiden Richtungen „easy going“, sprich pures Vergnügen.Die Tour ist als Rundtour angelegt. Das heißt, der Einstieg ist an jeder Stelle der Runde möglich – einfach den Kurviger-Link anklicken, einen neuen Ausgangspunkt festlegen und los geht’s!
Der Reschenpass ist unser Start und Ziel, der naheliegende Reschensee mit seinem wohl meist fotografiertesten Kirchturm der Welt das eigentliche Highlight des Passes. Der Turm stand einst mitten im Bergdorf Graun - oder sagen wir so: Er steht dort immer noch.
1948 wurde der Reschensee zur Stromerzeugung aufgestaut und für ihn das Bergdorf Graun den Fluten geopfert, seine Bewohner zwangsweise umgesiedelt. Entgegen weit verbreiteter Gerüchte liegt die Sichtbarkeit des Kirchturmes nicht an dessen Höhe, sondern daran, dass er als einziges Gebäude des Dorfes vor der Flutung nicht abgerissen wurde. Bei Niedrigwasser im Stausee steht der Turm in einer Lagune und kann umwandert werden.
Ein erstes herrliches Kehrengemenge führt uns dann hinab ins idyllische Vinschgau, dem wir uns auf Tour Nr. 2 noch ausführlicher widmen werden. In immerhin sechs weit ausholenden Kehren können wir unsere Reifen bis hinauf zu den Flanken warm fahren und uns so perfekt vorbereitet der legendären Nordostrampe des Stilfser Jochs widmen.
Der Umbrailpass ist unser Tipp für diejenigen, die sich die sehr anspruchsvolle Nordostrampe des Stilfser Jochs noch nicht zutrauen. Der Alternativaufstieg beginnt im hübschen Bergdorf Sta. Maria im Val Müstair und führt über den immerhin höchstgelegenen Autopass der Schweiz. Die Schweizer Rampe wurde 1901 fertig gestellt, ist heute in guten Zustand, einstmals respekteinflössende Offroad-Abschnitte sind heute allesamt asphaltiert.
Die Passhöhe von 2.503m des Umbrail definiert den Begriff „Unscheinbar“ neu, die vermutlich niemals besetzte Schweizer Zollstation und einige kunstvolle Infotafeln führen uns dann direkt auf die von Bormio kommende Südwestrampe des Stilfser Jochs.
Folgen wir unserer Tourenbeschreibung weiter in umgekehrter Richtung vom Stelvio über Umbrail hinab ins Val Müstair, dann erwartet uns als nächster Höhepunkt der Schweizer Ofenpass.
Das Val Müstair ist zweifelsohne eines der schönsten Bergtäler der Schweiz, schaut Euch ausgiebig um. Der Ofenpass oder Pass dal Fuorn führt uns auf perfekt asphaltierter Piste aus dem Val Müstair in Serpentinen hinauf in den einzigen Schweizer Nationalpark. Die Passhöhe selbst bilden ein kleiner Hügel samt Gasthaus und beliebtem Bikertreff.
Bergab huschen wir direkt ins Schweizer Engadin, die gesamte Strecke führt durch unberührten, herrlich duftenden Bergwald. Nach wenigen Kilometern liegt linker Hand der ampelgeregelte und mautpflichtige Munt-la-Schera-Tunnel, der uns zu einem Abstecher in die italienische Enklave Livigno lockt.
Zernez nahe der Grenze zwischen Ober- und Unterengadin begrüßt uns zum mittäglichen Boxenstopp. Unser Tipp: Pizzeria / Café Mirta, Plaz 84. Gut gestärkt folgen wir dem mächtigen Inn flussabwärts. Unser Tipp: Nehmt die Höhenstraße über die Engadiner Perlen Guarda, Bos-Cha sowie Ardez nach Scuol. Fahrerisch deutlich prächtiger als die Kantonsstraße im Inntal. Und es gibt viel Sehenswertes zu entdecken. In unserer kurviger-Tour ist die Piste hinterlegt. So wie auch der Abstecher zu Burg Tarasp oberhalb von Scuol, eine mittelalterliche Raubritterburg in atemberaubender Lage mit spannender Geschichte ohne Happy End.
Wir verlassen das Unterengadin und damit die Schweiz Richtung Nauders, erklimmen die Norbertshöhe, einen unscheinbaren Scheitel, der ganzjährig offengehalten wird.
Die Norbertshöhe - manchmal auch ohne „s“ geschrieben - verbindet den Ort Martina im Unterengadin mit Nauders in Südtirol und gehört zweifelsohne zu den Pässen, mit denen wir am Stammtisch ungeteilte Aufmerksamkeit erzeugen können, weil viele Bikerkollegen ihn schlichtweg nicht verorten können. Seine Höhenmeter sind wenig spektakulär, seine Trassenführung anfängertauglich und sein Hauptzweck ist schlichtweg die Ersatzverbindung nach Nauders, falls die höher liegende Nordrampe zum Reschenpass wegen Schneefall oder Lawinen gesperrt werden musste. Den Fahrspaß schmälert die Bedeutungslosigkeit der Norbertshöhe aber keinesfalls.
Nach derart kurvenreichem Tagwerk geht es heim ins Basislager am Reschenpass. Falls die Sonne noch am Himmel steht natürlich mit einem letzten Abstecher ins malerische Rojental am Westufer des Reschensees - unser Abschlusstipp an dieser Stelle.
© Text Heinz E. Studt
ca. 200 km - Navigationsdaten zur Tour bei KURVIGER.de laden
Pässe und Alpenstraßen auf dieser Tour